Das Datum des 5. Januar 2021 rückt näher. Und damit die Verpflichtung für Lieferanten von Erzeugnissen (als solche oder in komplexen Erzeugnissen), entsprechende Informationen über SVHCs (Substances of very high concern) in der sogenannten SCiP-Datenbank (Substances of Concern In articles as such or in complex objects (Products)) der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) zur Verfügung zu stellen. Dies scheint unumgänglich, auch wenn noch viele Fragen offen sind.
Durch die Novellierung der Abfallrahmen-Richtlinie (ARRL) durch die Richtlinie 2018/851/EU wurden grundsätzlich folgende Regelungen getroffen:
- Verpflichtung der Lieferanten von Erzeugnissen im Sinne der REACH-Verordnung der ECHA die nach Art. 33 Abs. 1 erforderlichen Informationen ab dem 05.01.2021 „zur Verfügung“ zu stellen
- Auftrag an die ECHA, (eigentlich) bis zum 05.01.2021 für diese Informationen eine Datenbank einzurichten und Abfallbehandlungseinrichtungen sowie auf Anfrage auch Verbrauchern „Zugang“ zu gewähren
Bis dato hat die ECHA im März 2020 lediglich den Prototyp einer Datenbank vorgestellt; die SCIP-Version 1.0 ist für Oktober/November 2020 geplant.
Da es sich bei dem zugrunde liegenden Rechtsakt um eine Richtlinie handelt, muss die Regelung in jedem einzelnen Mitgliedstaat in einem eigenen Rechtsakt umgesetzt werden. Da die Vergangenheit gezeigt hat, dass es bei einer solchen Umsetzung, die grundsätzlich 1:1 zu erfolgen hat, immer auch unterschiedliche Auslegungen u.a. im Zuge der Übersetzungen gibt, ist man inzwischen auf europäischer Ebene dazu übergegangen, neue Rechtsakte in Form von (unmittelbar geltenden) EU-Verordnungen zu erlassen (siehe Medizinprodukteverordnung, geplante Maschinenverordnung).
Für die Umsetzung der neuen Regelung der Abfallrahmen-Richtlinie in nationales Recht der Mitgliedstaaten galt eine Frist bis zum 5. Juli 2020. In Deutschland hat der Bundestag aktuell am 17. September 2020 die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) beschlossen. Mit dem neu geschaffenen § 62a KrWG und dem darin enthaltenen Wort „einzustellen“ (statt „zur Verfügung zu stellen“) in der deutschen Umsetzung liegt bereits eine offensichtliche Verschärfung der Anforderungen zu Lasten des Lieferanten vor. Darauf hat auch die FDP in ihrem Antrag hingewiesen, die Formulierung aus der Abfallrahmenrichtlinie 1:1 ins Kreislaufwirtschaftsgesetz zu übernehmen. Es bleibt abzuwarten, wie die Regelungen in den anderen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Ein weiterer offener Punkt ist die offensichtliche Kompetenzüberschreitung der ECHA in Bezug auf die konkreten Informationsanforderungen. Die von der ECHA als Rechtfertigung herangezogenen (Rechts-)Grundlagen können die geforderten Informationsanforderungen nicht untermauern. Art. 9 Abs. 1 i) ARRL verweist ausdrücklich auf Art. 33 Abs. 1 REACH-Verordnung. Der Erwägungsgrund Nr. 38 der Richtlinie (EU) 2018/851 hat nicht die Geltung eines Rechtsaktes und auch das „Non-paper on the implementation of articles 9(1)(i) an 9 (2) of the revised Waste Framework Directive 2008/98/EC“ vermag keine rechtlich bindende Wirkung zu entfalten.
Die konkreten Informationsanforderungen wurden von der ECHA erstmals im September 2019 in dem Dokument „Detailed Information requirements for the SCIP database“ vorgestellt. Die Anforderungen bzgl. „Mandatory Information“ sind zwischenzeitlich zwar etwas reduziert worden, enthalten aber nach wie vor Anforderungen, die weit über die Mitteilungspflicht nach Art. 33 Abs. 1 der REACH-Verordnung hinausgehen:
- „Primary Article Identifier“: Angabe einer numerischen oder alphanumerischen Kennung zur Identifizierung des Erzeugnisses bzw. des komplexen Produkts (z.B. EAN, GTIN)
- „Article Category“: Angabe der Erzeugniskategorie bzw. des Kategorie des komplexen Produkts (z.B. TARIC-Code)
- „Material Category and/ or Mixture Category “: Angabe der Materialkategorie und/oder Gemischkategorie
Diese Informationen müssen zukünftig durch (noch konkretere) vertragliche Vereinbarungen beim Lieferanten abgefragt werden. Der sogenannte risikobasierte Ansatz mit entsprechender Einstufung der Vertrauenswürdigkeit der Lieferanten scheint damit nicht mehr ausreichend.
Die geplanten Erleichterungen bei der Eingabe der Informationen, z.B durch Verweise auf bereits von einem (Vor-)Lieferanten erstellten Einträge (sogenannte „simplified Notification“ oder „Referencing“) sind noch nicht final geklärt.
Demgegenüber steht das Ziel der SCIP-Datenbank, u.a. der Recyclingwirtschaft die für eine effiziente Behandlung von Produkten, in denen sich sog. „besonders besorgniserregende Stoffe“ befinden, erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Recyclingbranche (u.a. BDE – Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.) hat jedoch in einem Positionspapier bereits dargelegt, dass die SCiP-Datenbank in der geplanten Form keine praxisrelevante Verbesserung für die Recycling- und Entsorgungsbranche liefert. Aus Effizienzgründen ist die Ermittlung der Einzelstoffinformationen anhand der Datenbank für jedes Bauteil eines Erzeugnisses nicht mit der Praxis vereinbar, da die Recyclingunternehmen in der Regel in Tonnen- und nicht in Einzelstückmaßstäben arbeiten. Der Abfallstrom von komplexen Erzeugnissen lässt eine Zuordnung der verschiedenen Bauteile zu einzelnen Stoffen und Materialien nicht zu.
Es bleibt äußerst fraglich, wie und ob sich die Voraussetzungen für die SCIP-Datenbank noch vor dem 5. Januar 2021 klären lassen. Leidtragende sind wie so oft die Unternehmen, die ihren Verpflichtungen dennoch in der Praxis nachgehen müssen.
Wie Sie sich trotzalledem bestmöglich auf die einzuhaltenden Verpflichtungen vorbereiten können, dazu können Sie unsere Experten beraten. Kontaktieren Sie uns direkt oder melden Sie sich hier, wenn Sie Interesse an einem Webinar zu diesem Themenkomplex haben.