Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) ist ein stetig wachsendes und sich wandelndes Konstrukt. Sie gilt für alle chemischen Stoffe und Gemische, die im Alltag vorkommen, wie zum Beispiel in Reinigungsmitteln oder Farben, aber auch in Elektronikgeräten und -Bauteilen, Textilien oder Möbeln. Die REACH-Verordnung betrifft sowohl private als auch industrielle Anwendungen und involviert daher die meisten Unternehmen in der EU. Ausgenommen sind lediglich radioaktive Substanzen, Stoffe die in Arzneimitteln verwendet werden, nicht-isolierte Zwischenprodukte und weitere durch andere Gesetzgebungen reglementierte Anwendungsbereiche.
Die REACH-Verordnung dient zur Identifizierung und Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von gefährlichen Stoffen. Die Unternehmen haben dabei verschiedene Pflichten zu erfüllen. Sie müssen die Risiken der hergestellten oder verwendeten Stoffe und Gemische der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) aufzeigen und gegebenenfalls den nachgeschalteten Anwendern Informationen zum sicheren Umgang bereitstellen.
Die Kernelemente der Verordnung sind:
- Kandidatenliste
- Informationspflicht gemäß REACH Artikel 33 über Stoffe in Erzeugnissen
- Halbjährliche Erweiterung
- Anhang XIV
- Liste der zulassungspflichtigen Substanzen
- Anhang XVII
- Liste der allgemeinen Beschränkungen für Substanzen
Vorgelagert zu diesen Listen befindet sich ein komplexer Prozess, in welchem zu reglementierende Substanzen über mehrere Gremien hinweg diskutiert und evaluiert werden.
Erweiterung der Kandidatenliste um neue Substanzen
In diesem jungen Jahr 2023 hat sich bereits einiges getan. Am 17. Januar 2023 wurde die Kandidatenliste um 14 Einträge und somit folgende Substanzen erweitert:
- 1,1'-[ethane-1,2-diylbisoxy]bis[2,4,6-tribromobenzene]
- 2,2',6,6'-tetrabromo-4,4'-isopropylidenediphenol
- 4,4'-sulphonyldiphenol
- Barium diboron tetraoxide
- bis(2-ethylhexyl) tetrabromophthalate covering any of the individual isomers and/or combinations thereof
- Bis(2-ethylhexyl) tetrabromophthalate
- Isobutyl 4-hydroxybenzoate
- Melamine
- Perfluoroheptanoic acid and its salts
- Ammonium perfluoroheptanoate
- potassium perfluoroheptanoate
- Perfluoroheptanoic acid
- Sodium perfluoroheptanoate
- reaction mass of 2,2,3,3,5,5,6,6-octafluoro-4-(1,1,1,2,3,3,3-heptafluoropropan-2-yl)morpholine and 2,2,3,3,5,5,6,6-octafluoro-4-(heptafluoropropyl)morpholine
Anmerkung: 2,2',6,6'-tetrabromo-4,4'-isopropylidenediphenol oder auch “Tetrabromobisphenol A/TBBA” wird zur Beschränkung unter der Richtlinie 2011/65/EU (RoHS) vorgeschlagen.
Neuer PFAS-Beschränkungsvorschlag
Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) sind eine große Gruppe an Chemikalien, die in der Umwelt sehr langlebig sind und auch als „ewige Chemikalien“ bezeichnet werden. Grund dafür sind ihre vollständig fluorierten Wasserstoffatome, die ihrer Struktur eine sehr starke chemische Bindung verleihen. So lange PFAS weiterverwendet werden, sind Menschen, Tiere und die Natur diesen ausgesetzt. Durch ihre hohe Mobilität in Wasser und Luft kontaminieren PFAS das Grund- und Trinkwasser. Sie kommen bereits in abgelegenen Umgebungen wie der Arktis und Antarktis und in höheren Atmosphären vor. Die Kontamination kann irreversibel sein und Gesundheitsprobleme verursachen.
Einige PFAS sind global bereits durch die Stockholm Konvention der Vereinten Nationen zu persistenten organischen Schadstoffen verboten, umgesetzt in der Europäischen Union durch die (POP) Verordnung (EU) 2019/1021. Andere Beschränkungsvorschläge zu Mitgliedern der PFAS-Familie sind noch in der Diskussion. Da die verbotenen langkettigen PFAS durch noch nicht verbotene kurzkettige Mitglieder derselben Gruppe in vielen Anwendungen ersetzt wurden, welche aber nicht minder gefährdend sind, wurden zwei Beschränkungsvorschläge für die gesamte Gruppe gestellt.
- PFAS in Feuerlöschschäumen
- PFAS allgemein
Der Vorschlag zur Beschränkung der Feuerlöschschäumen wurde dabei früher angelegt und ebnet den Weg für den allgemeinen Beschränkungsvorschlag für diverse Verwendungen. Die Vorschläge betreffen die gesamte PFAS-Gruppe, welche über 10.000 Stoffe beinhaltet und somit die bisher umfangreichsten Beschränkungsvorschläge darstellen. Es wird geschätzt, dass 4,4 Millionen Tonnen PFAS über die kommenden 30 Jahre in die Umwelt gelangen, sofern keine Beschränkung erfolgt.
PFAS werden unter anderem in den folgenden Erzeugnissen verwendet:
- Regenkleidung, Textilien und Oberflächenbehandlungen
- Nicht haftende Beschichtungen für Pfannen und Töpfe, Nahrungsmittelverpackungen
- Feuerlöschschäume
- Verchromungen, Farben und Baumaterialien
Festgestellte Gefährdungen einiger PFAS:
- Fortpflanzungsgefährdung und Schädigung des Fötus;
- Möglicherweise krebserzeugend
- Beeinflussung des Hormonsystems
- Schädigend für Knochen, Leber, Nieren und andere Organe
Nächste Schritte des allgemeinen PFAS-Beschränkungsvorschlages:
- 22. März 2023: Start der 6-monatigen öffentlichen Konsultation
- 5. April 2023: Online-Informationsveranstaltung der ECHA für interessierte Parteien der Konsultation
- Meinungsbildung der ECHA-Komitees
- Committee for Risk Assessment (RAC)
- Committee for Socio-Economic Analysis (SEAC)
- Mitteilung des ausgearbeiteten Beschränkungsvorschlags an die Europäische Kommission
- Diskussion der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten über den Vorschlag
Überprüfung der Sicherheitsdatenblätter
Im Rahmen des „harmonised enforcement Projects (REF-11) der ECHA wird EU-weit dieses Jahr die Konformität von Sicherheitsdatenblättern zu Chemikalien durch nationale Vollzugsbehörden überprüft. Hauptziel ist es, die Übereinstimmung mit Anhang II der REACH-Verordnung zu kontrollieren. Hierunter fällt unter anderem auch die Angabe der REACH-Registrierungsnummern. Sollte die Registrierung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein, könnte dies Auswirkungen auf die Lieferkette haben, da nach REACH-Artikel 5 der Grundatz „no data, no market“ gilt.
Fazit
Zusammenfassend ist die Tendenz zur Gruppenbetrachtung zu erkennen. Dadurch werden mit einem Eintrag in einer der Listen eine ganze Reihe an Stoffen reglementiert. Die Transparenz über gefährliche chemische Stoffe ist international immer mehr im Fokus.
Wir empfehlen Unternehmen ihr Materialwissen zu stärken, um frühzeitig bereits auf potenzielle Stoffbeschränkungen oder -verbote reagieren zu können. Für weitere Details oder Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung, kontaktieren Sie uns einfach!