Material Compliance Sanktionen

Unterschätzte Konsequenzen

Material Compliance ist nicht nur „nice-to-have“ oder relevant für das Unternehmensimage. Material Compliance Anforderungen sind Produktanforderungen, welche haftungsrechtlich anderen Produktanforderungen gleichgestellt sind. Eine Nichteinhaltung führt zu einer Vielzahl von Konsequenzen, welche ein Unternehmen sehr schnell in Schieflage bringen können. 

Neben den potenziellen Folgen im öffentlichen Recht durch die behördliche Marktüberwachung (u.a. Bußgeld), sind Stoffbeschränkungen und -Verbote zivilrechtlich auch als wettbewerbsrechtlich relevante Marktverhaltensregeln anerkannt. Innerhalb der für die Einhaltung der stoffrechtlichen Anforderungen relevanten Lieferkette spielen vertragliche Regressansprüche eine große Rolle. Dies kann durchaus auch bis hin zum Ersatz der Aus- und Einbaukosten betroffener Bauteile führen. 

Mit Einführung der Chemikaliensanktionsverordnung in Deutschland im Jahr 2013 wurden zudem eine Vielzahl von Verstößen gegen stoffrechtliche Anforderungen für unterschiedlichste Produktgruppen unter Strafe gestellt. Als Folge wurde uns aus der Praxis berichtet, dass Marktüberwachungsbehörden inzwischen quasi standardisiert dazu übergegangen sind, bei festgestellten Schadstoffverstößen die Staatsanwaltschaft bzw. die Polizei als ausführende Kraft zu involvieren. 

Während das Strafrecht, im regulären Produktsicherheitsrecht, erst als Ultima Ratio zum Beispiel bei Verletzung von Personen zum Einsatz kommt, wird die schlichte Überschreitung eines gesetzlich regulierten Schadstoffgrenzwertes über die Chemikaliensanktionsverordnung strafrechtlich sanktioniert. Dabei kommt es für die Erfüllung des Straftatbestandes nicht darauf an, ob ein konkreter Schaden oder ein konkretes Risiko für die Sicherheit oder Gesundheit besteht. 

In Deutschland gibt es aktuell kein Unternehmensstrafrecht. Vielmehr basiert die strafrechtliche Verantwortung auf dem individuellen Schuldvorwurf der konkret verantwortlichen Personen. Die strafrechtlichen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft werden sich naturgemäß zuerst auf die Unternehmensführung konzentrieren (Stichwort: Organisationsverschulden). Regelmäßig umfassen die Ermittlungen aber auch die für das Inverkehrbringen der schadstoffbelasteten Produkte intern verantwortliche Person, sobald diese bekannt ist. 

Zugegebenermaßen werden viele Ermittlungsverfahren seitens der Staatsanwaltschaft gegen Geldauflage eingestellt, wenn es sich um die erste strafrechtliche Ermittlung handelt. Dennoch ist der Fokus dann schon auf das Unternehmen gerichtet. 

Es ist Unternehmen daher dringend anzuraten, im Bereich der Product Compliance insbesondere auch die internen Prozesse bezüglich der Material Compliance zu organisieren. Denn zunehmend mehr umweltrechtliche Produktvorschriften wie beispielsweise die Batterieverordnung (EU) 2023/1542 oder die kürzlich verabschiedete Ökodesignverordnung (EU) 2024/1281 beinhalten stoffrechtliche Anforderungen und/oder verweisen auf die REACH-Verordnung. 
 

Bei der Frage „Wann habe ich genug getan, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen?“ lässt der Gesetzgeber die Unternehmen gefühlt alleine. Dieses Gefühl resultiert nicht zuletzt daraus, dass die Anforderungen der (technischen) Product Compliance u.a. durch die Anwendung von konkreten Normen als Werkzeug nicht auf die Prozesse der Material Compliance übertragen werden können. Einzig die internationale Norm IEC 63000:2016 und die darin formulierte Herangehensweise ist sowohl von der Industrie als auch von den vollziehenden Behörden anerkannt. 


Übersicht möglicher Sanktionen aus unterschiedlichen Rechtsbereichen


Öffentliches RechtStrafrechtZivilrecht
  • Gefahrenabwehr:
    • Vertriebsverbot
    • Sicherstellung
    • Vernichtung
    • Produktrückruf
  • Ordnungswidrigkeit (OwiG):
    • Bußgeld
    • § 26 ChemG Bußgeldvorschriften
  • § 27 ChemG Strafvorschriften
  • ChemSanktionsVO:
    • Geldstrafe
    • Freiheitsstrafe
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • § 58ff. LFGB
  • EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt etc. 
  • Vertragsrecht:
    • Sachmangel
    • Gewährleistungsrecht
    • Vertragsstrafe
  • gesetzl. Ansprüche:
    • § 823 BGB, ProdHaftG
    • Schadensersatz
    • Personen-/Sachschäden
  • Wettbewerbsrecht:
    • Schadensersatz
    • Unterlassung (Vertriebsverbot)
    • Rückruf

 

 

 

Für Fragen stehen wir Ihnen immer gerne zur Verfügung. Wir begrüßen Sie auch gerne bei unserem neuen Lehrgang zum Material & Environmental Compliance Officer gemäß ISO/IEC 17024:


19.-22.11.2024 in Berlin // Lehrgang zum Material & Environmental Compliance Officer gemäß ISO/IEC 17024
Was Sie für die Umsetzung Material & Environmental Compliance wissen müssen.

→ Hier zum Lehrgang anmelden
 




Autorin

Volljuristin Inken Green
Product & Material Compliance Expert

Veröffentlicht am 06.08.2024
Kategorie: Fokus Automotive, Fokus Industry, Fokus Consumer Goods & Retail, Fokus Electrical and Wireless, Fokus Medical Devices, Compliance

Neues aus der Welt der Normen und Product Compliance

Auch wenn die Welt der Normen und Marktzulassungsanforderungen nicht allzu schnelllebig ist – es gibt auch hier regelmäßig Neuigkeiten und Neuerungen. Hier halten wir Sie auf dem Laufenden!

Weitere Neuigkeiten zu Normen und Product Compliance
GLOBALNORM News
Unsere Weihnachtsaktion "Spenden statt Versenden" 2024

Nächstenliebe statt Weihnachtskarten

mehr

Ausgezeichnet! Als Unternehmerin und Unternehmer der Zukunft 2024

Nachricht vom diind

mehr

Produktkanzlei und GLOBALNORM

Für die Kunden 360°-Service bieten

mehr

STANDARDS News
Entwurf DIN EN ISO 12100:2025-12

Sicherheit von Maschinen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze - Risikobeurteilung und Risikominderung (ISO/DIS 12100:2024)

mehr

Neue DIN DKE SPEC 99100:2025-02

Anforderungen an Datenattribute des Batteriepasses

mehr

Gemeinsame Spezifikationen (GS) der EU

Ausweichlösung, wenn keine harmonisierten Normen vorliegen

mehr

COMPLIANCE News
Neue Meldepflichten durch den Cyber Resilience Act

Der Cyber Resilience Act führt eine neue Meldepflicht von aktiv ausgenutzten Schwachstellen ein.

mehr

Bewertung der Cybersicherheitsrisiken

Eine gedankliche Brücke von der produktsicherheitsbezogenen Risikobewertung zu den Cybersicherheitsrisiken.

mehr

Aktualisierter Entwurf von Ökodesign-Anforderungen für externe Netzteile

Ausweitung auf drahtlose Ladepads und USB-Typ-C-Kabel

mehr

Login
x

Gemäß der Cookie-Richtlinie der EU (RL 2009/136/EG) möchten wir Sie darüber informieren, dass unsere Website Cookies verwendet. Wenn Sie unsere Webseite benutzen, akzeptieren Sie das und stimmen unseren Datenschutzbestimmungen zu. Welche Cookies konkret gesetzt werden und wie Sie von Ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen können, erfahren Sie auf unserer Seite zum. Datenschutz.

OK