Die neue Produktsicherheitsverordnung 2023/988 erfasst Verbraucherprodukte sowie Produkte, die unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt werden, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind.
Sie gilt ab dem 13. Dezember 2024 (Art. 52). Die Vorschrift in Art. 9 Abs. 2 der GPSR (General Product Safety Regulation) verlangt nun vom Hersteller die Erstellung einer Risikoanalyse:
„Bevor sie ihre Produkte in Verkehr bringen, führen die Hersteller eine interne Risikoanalyse durch und erstellen technische Unterlagen, die mindestens eine allgemeine Beschreibung des Produkts und seiner für die Bewertung seiner Sicherheit relevanten wesentlichen Eigenschaften enthalten.
Sofern dies angesichts der möglicherweise mit dem Produkt verbundenen Risiken angemessen ist, umfassen die in Unterabsatz 1 genannten technischen Unterlagen, soweit anwendbar, außerdem
a) eine Analyse der möglicherweise mit dem Produkt verbundenen Risiken und der gewählten Lösungen zur Beseitigung oder Minderung dieser Risiken, einschließlich der Ergebnisse aller Berichte über Tests, die der Hersteller durchgeführt hat oder von einem Dritten hat durchführen lassen, und
b) eine Aufstellung aller einschlägigen europäischen Normen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a und der anderen Elemente nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b oder Artikel 8, die angewandt wurden, um dem allgemeinen Sicherheitsgebot gemäß Artikel 5 zu entsprechen.
Falls europäische Normen, Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen oder Elemente nach Artikel 7 Absatz 1 oder Artikel 8 nur teilweise angewandt wurden, so müssen Hersteller angeben, welche Teile angewandt wurden.“
In einzelnen Gesprächen mit Kunden sowie Experten stellt sich die Frage, wie bei sehr einfachen Verbraucherprodukten, die z. B. keiner weiteren Rechtsvorschrift zur CE-Kennzeichnung unterliegen (z. B. ein Locher, und bevor hier Fragen aufkommen: Nein, ein Locher ist keine Maschine) mit einem angemessenen Aufwand solch eine Risikoanalyse durchzuführen ist. Weder macht die GPSR Vorgaben zur Methodik einer Risikoanalyse noch welchen Umfang eine dokumentierte Risikoanalyse haben muss. Insofern liegt es in der Eigenverantwortung des Herstellers, sich eine Vorgehensweise zu überlegen und bietet somit auch alle Freiheitsgrade, selbst den Aufwand festzulegen.
Leitlinien, Fachberichte und Normen zur Methodik einer Risikoanalyse gibt es in zahlreicher Form. Bereits im Jahr 2016 hat die „Working Party on Consumer Product Safety“ innerhalb der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) eine Zusammenfassung zu durchgeführten Workshops und Meetings mit dem Titel „PRODUCT RISK ASSESSMENT PRACTICES OF REGULATORY AGENCIES - Summary of discussions at Workshops and Meetings of the OECD Working Party on Consumer Product Safety“ am 19. Januar 2016 veröffentlicht. Darin wird u. a. auf die ISO 10377:2013-04 “Consumer product safety - Guidelines for suppliers” verwiesen.
Diese Norm bietet einen guten Überblick, was aus Sicht des Herstellers zu tun ist und verweist auf zahlreiche weitere Fachpublikationen. Die Grundmethodik sieht wie folgt aus:
Das Risiko in Bezug auf die betrachtete Gefährdung
ist abhängig vom
Schadensausmaß, das aus der betrachteten Gefährdung resultieren kann
und
der Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadenseintritts.
Beim Locher als Beispiel gibt es mechanische Gefährdungen, die zu einer Quetschung führen können oder es gibt chemische Gefährdungen, da der Locher lackiert ist. Die ISO 10377 enthält im Annex C hierzu Beispiele bzgl. der „Hazard and risk evaluation“.
Bei der Risikobewertung muss der Hersteller entscheiden, ob das Risiko vertretbar ist. Falls nein, müssen risikomindernde Maßnahmen getroffen werden. Diese Verantwortung kann der Hersteller nicht abtreten. Zu berücksichtigen sind hierbei alle Lebensphasen des Produkts. Insofern ist hier auch die Produktbeobachtung nach dem Inverkehrbringen eine wesentliche Aufgabe, die Teil eines „Product safety management plans“ (Annex D in ISO 10377) ist.
Weitere Literaturhinweise sowie Beschreibungen, wie eine Risikoanalyse durchzuführen ist, finden Sie im Fachbuch „Product Compliance Management - Praxishandbuch für die Ermittlung, Umsetzung und Einhaltung von Produktkonformität“ im Kapitel 3.2. (zu bestellen bei Austrian Standards als Print- oder E-Book-Version)
Haben Sie Fragen zu diesem oder ähnlichen Themen? Wir stehen Ihnen gerne zur Seite!
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Michael Loerzer
Regulatory Affairs Specialist, zertifizierter Product Compliance Officer (PCO)