EU: Änderungen beim HAS-Assessment für die Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt

Am 31. Januar 2023 fand eine virtuelle Schulung für Normungsexperten seitens der DKE statt. Bei dieser Schulung ging es um die verschiedenen Aspekte zum Freigabeprozess von zu veröffentlichenden harmonisierten Normen (hEN). Dieser Freigabeprozess wird als „HAS-Assessment“ (harmonised standards) bezeichnet. Die Schulung beinhaltete folgende Themen:

  • Einführung in das HAS-System
  • Rollen im HAS-System
  • HAS-Assessment
  • Non-Compliant Assessment
  • Listung im Amtsblatt der Europäischen Union (kurz: OJEU)

Wie vielfach berichtet trifft die EU-Kommission die endgültige Entscheidung, ob eine Norm mit Normungsauftrag im Zusammenhang mit einer Harmonisierungsrechtsvorschrift im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird. Den rechtlichen Hintergrund hierzu stellt Artikel 10 Absatz 6 der sog. Normungsverordnung (EU) 1025/2012 dar:

Wenn eine harmonisierte Norm den Anforderungen genügt, die sie abdecken soll und die in dem entsprechenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union festgelegt sind, veröffentlicht die Kommission unverzüglich eine Fundstelle einer solchen harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union oder durch andere Mittel nach Maßgabe der Bedingungen in dem entsprechenden Harmonisierungsrechtsakt der Union.“

Mit Anforderungen sind z.B. die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen aus Anhang I der Maschinenrichtlinie oder die EMV-Anforderungen aus Anhang I Nr. 1 der EMV-Richtlinie (Störaussendung und Störfestigkeit) gemeint. Für die Prüfung (das sog. HAS-Assessment) sind zwei Player entscheidend:

  1. der HAS-Contractor und
  2. die HAS-Consultants.

Zur Verwaltung des Budgets sowie der Zusammenarbeit mit den sog. HAS-Consultants hat die EU-Kommission als HAS-Contractor wieder die Unternehmensberatungsgesellschaft EY eingesetzt. Die inhaltliche Prüfung der Normen wird von den HAS-Consultants durchgeführt. Wenn das HAS-Assessment erfolgreich ist, werden diese Fundstellen von hENs im OJEU veröffentlicht.

Bezüglich der HAS-Consultants gibt es eine Liste von Aufgaben, die an einer signifikanten Stelle geändert wurde:

  • HAS-Assessment – Überprüfung der erarbeiteten Normen anhand des Normungsauftrags (Mandat) mit ca. 75% Zeitaufwand.
  • Kommunikation – Der HAS-Consultant steht im Kontakt mit den technischen Komitees und übermittelt u. a. die Position der EU-Kommission. Aber an den Sitzungen der Komitees dürfen sie neuerdings nur mit Genehmigung von EY teilnehmen (!). Im Kern besteht die Aufgabe in der Erläuterung des jeweiligen Assessment-Ergebnisses. Dieser gesamte Aufgabenblock soll ca. 25% der Zeit in Anspruch nehmen.

Folgende Punkte gehören nicht zum Aufgabenbereich der HAS-Consultants:

  • Direktes Mitwirken an der Normungsarbeit
  • Konkrete Beratung technischer Komitees, wie Normen konform werden können, wenn das HAS-Assessment negativ ausgefallen ist.
  • Durchführung eines HAS-Assessments, wenn die Dokumente direkt von den Europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI an die Consultants geschickt werden.
  • Nachträgliche Änderung der HAS-Assessment-Ergebnisse
  • Teilnahme an Sitzungen der technischen Komitees ohne EY-Genehmigung.

In diesem Zusammenhang sind auch die Aufgaben des CEN/CENELEC-Management Centers (CCMC) zu nennen:

  • Koordinierung der Stellungnahmen zu den Standardization Requests über sog. Standardization Requests ad-hoc Groups (SRAHG) und Kontakt mit der EU-Kommission
  • Quality Check - Überprüfung der eingereichten Unterlagen für das HAS-Assessment (neu!)
  • Hochladen der Dokumente für das HAS-Assessment auf der HAS-Plattform
  • Überprüfung und Weitergabe bei Einspruch gegen das HAS-Assessment-Ergebnis durch das technische Komitee

Bei Bedarf kann das technische Komitee bzw. der Sekretär einen Antrag zur Kontaktaufnahme stellen, um mit dem HAS-Consultant die Non-Compliance-Angelegenheiten zu klären. Der Antrag ist an diese Website zu senden: https://globaleysurvey.ey.com/jfe/form/SV_b71bSqkXAtAqqTs

Das HAS-Assessment selbst ist ein sehr komplexes System. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: Eine bereits veröffentlichte EN wird einem HAS-Assessment unterzogen, oder dies geschieht im Rahmen eines Normungsprojektes (im Fall von CENELEC: hier sind bis zu vier HAS-Assessments möglich, mit max. einem HAS-Assessment pro Projektphase).

 

Zusammenfassend hat sich seit Mitte 2022 Folgendes am HAS-System geändert:

  • Der neue Vertrag mit dem HAS-Contractor EY wurde erst im Juli 2022 unterschrieben. Dieser Vertrag beinhaltet mehr Ressourcen/Personentage.
  • Es ist nun eine Conditional Compliance möglich, falls ein Assessment aufgrund datierter Verweise negativ ausfiel und dies ohne Weiteres behoben werden kann.
  • Ein HAS-Assessment ist nach Veröffentlichung (stage code: PUB) einer EN nicht mehr möglich, dagegen ist aber ein 2. Assessment während eines formal votes möglich.
  • Der HAS-Assessment-Bericht ist nun anonymisiert.
  • Bei negativem HAS-Assessment kann Einspruch eingelegt werden.

Zu dem letztgenannten Punkt wurden als Hauptgründe für ein negatives HAS-Assessment folgende Punkte genannt:

  • Es fehlen normative Verweise.
  • Undatierte normative Verweise wurden ohne ausreichende Begründung aufgeführt.
  • Datierte normative Verweise sind nicht auf dem aktuellen Stand.
  • Technische Anforderungen erfüllen nicht oder widersprechen der jeweiligen Harmonisierungsrechtsvorschrift.
  • Der Anhang ZZ ist nicht detailliert genug. Hinweis: bei CEN ist das der Anhang ZA.
  • Der Anhang ZZ verweist nicht ausreichend auf die jeweilige Harmonisierungsrechtsvorschrift.

Grundsätzlich kann vom technischen Komitee ein negatives HAS-Assessment in Frage gestellt werden. Dazu hat das Komitee vier Wochen Zeit Einspruch zu erheben. Das CCMC prüft vorab den Einspruch und leitet ihn an den HAS-Contractor EY weiter. EY hat 21 Tage Zeit, um auf den Einspruch zu reagieren. Das Komitee muss den Einspruch gut begründen und muss das bisherige Vorgehen dokumentiert haben.

Zusammengefasst sieht der Prozess bis zur Listung im OJEU wie folgt aus:

  • Normveröffentlichung und positives HAS-Assessment
  • Quartalsweise schicken CENELEC und CEN die Kandidaten über das CCMC des jeweiligen Quartals zur Amtsblattlistung an die EU-Kommission
  • Der jeweilige EU Desk Officer der entsprechenden Harmonisierungsrechtsvorschrift prüft (10 Wochen) die hENs nach den entsprechenden Kriterien.
  • Die DG GROW (EU) muss formal die Listung im OJEU ormal unterzeichnen
  • Die EU-Kommission veröffentlich die hENs per Durchführungsbeschluss im OJEU

 

Wenn Sie Fragen oder Interesse an einem Webinar zu diesem Thema haben, senden Sie bitte eine E-Mail an info@globalnorm.de. Bei entsprechendem Interesse greifen wir das Thema gerne auf und werden eine Veranstaltung einplanen. Gerne können Sie uns auch andere Themenwünsche für Webinare senden.

Veröffentlicht am 15.02.2023
Kategorie: Fokus Industry, Fokus Consumer Goods & Retail, Fokus Electrical and Wireless, Fokus Medical Devices, Compliance, Standards

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