Vielleicht nicht jedem bekannt ist, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) innerhalb der Bundesregierung federführend die sektorübergreifende Marktüberwachung als gesetzliche Aufgabe koordiniert. Es vertritt Deutschland in Fragen der Marktüberwachung auf europäischer Ebene bei Legislativmaßnahmen und bei den in den europäischen Rechtsvorschriften festgelegten Vollzugsaspekten. Nach Abstimmung zwischen den Bundesressorts und den Bundesländern wurde beim BMWK das Deutsche Marktüberwachungsforum (DMÜF) eingerichtet, das die Bundesregierung seit 2018 in Fragen der Marktüberwachung berät und unterstützt. Das BMWK veranstaltet dazu jährlich die Deutsche Marktüberwachungskonferenz. Die Konferenz ist eine gemeinsame Veranstaltung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).
Ziel der Konferenz ist es, den mit Marktüberwachungsfragen befassten Organisationen und Interessierten aller Branchen ein Informations- und Diskussionsforum zur Verfügung zu stellen. Anhand von Impulsreferaten und Diskussionen werden Themen aus allen Bereichen der Marktüberwachung behandelt.
In diesem Jahr fand die Konferenz am 20. und 21. September statt und hatte folgende Themenschwerpunkte:
- Marktüberwachung der KI
- Digitalisierung in der Marktüberwachung
- Neue Sicherheitsanforderungen für die Produkt Compliance von Funkprodukten
- Aktuelle Themen aus den Rechtsbereichen
Zum Thema „Marktüberwachung der KI“ gilt es, zahlreiche Herausforderungen zu stemmen. Einerseits geht es um die Prüfung und Zertifizierung von KI-Systemen (KI durch KI prüfen lassen?) und andererseits gilt es, die Chancen sowie Risiken aus der regulatorischen und haftungsrechtlichen Perspektive genauer zu betrachten.
Hier sei einerseits auf die neu zu fassende EU-Produkthaftungsrichtlinie sowie die kommende EU-KI-Haftungsrichtlinie verwiesen. Die Marktüberwachungsbehörden auf der anderen Seite sehen sich hierzu noch gar nicht in der Lage, solche KI-Systeme auf Konformität hin zu kontrollieren. Hier gilt es, sowohl das Fachwissen aufzubauen als auch mögliche Wege für die Marktüberwachung zu entwickeln.
Im Kontext der Digitalisierung war u. a. der Vortrag zum Thema „Digitaler Produktpass“ interessant. Der „DPP“ wird z. B. von der neuen EU-Batterieverordnung eingeführt und wird sicherlich in weiteren neueren Rechtsakten zur Geltung kommen.
Im Bereich der Funkanlagen, die heute kaum noch aus unserem täglichen Leben wegzudenken sind (wie z. B. die Bereiche smart home, drahtlose Industriesteuerungen, drahtlose Sensorik etwa im Automobilsektor oder Medizinprodukte mit fest eingebauten WiFi/Bluetooth-Funkmodulen) gibt es gerade zum Thema „Cybersecurity“ neue delegierte Rechtsakte. Eigentlich ist die Delegierte Verordnung (EU) 2022/30 ab dem 1. August 2024 verbindlich anzuwenden:
Hinweis: Die EU-Kommission hat einen Entwurf zur Fristverlängerung zum 1. August 2025 am 20. Juli 2023 angenommen. Bisher hat es aber noch keine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt gegeben. Siehe dazu auch unsere News vom 24.07.2023.
Diese delegierte Verordnung 2022/30 definiert in Art. 1, für welche Art von Funkanlagen die grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 Abs. 3 Buchstaben d), e) und f) gelten werden. Hierzu werden von CEN/CENELEC aufgrund eines Mandats die entsprechenden Normen erarbeitet, die wie folgt benannt werden:
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Außerdem wird es in Bezug auf die Richtlinie (EU) 2022/2380 eine Änderung des EU RED Guides zum Art. 3 Abs. 4 geben (siehe auch den Beitrag "Neue gesetzliche Normen für Funkanlagen mit USB-C-Ladeschnittstelle" ).
In unserer Rolle als Bevollmächtigter fand der Vortrag „Verantwortlicher Wirtschaftsakteur nach Artikel 4 der Marktüberwachungsverordnung“ große Beachtung. Hr. Torben Hoetter (Bundesratsbeauftragter für das EUPCN, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg UM BW) hob die Bedeutung des Art. 4 der Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 hervor und hier v. a. D. die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der jeweiligen Wirtschaftsakteure.
Erste Ergebnisse von Marktüberwachungsmaßnahmen lassen allerdings darauf schließen, dass manche Plattformbetreiber, Online-Händler, Bevollmächtigte und Hersteller nicht eigenständig und nicht hinreichend ihren Pflichten nachkommen. Er unterstrich, dass es ein „level playing field“ für EU als auch Non-EU-Hersteller geben muss, da es sonst eine Wettbewerbsverzerrung gibt. Speziell bei den Bevollmächtigten gibt es wohl eine 2- oder sogar 3-Klassengesellschaft:
- angegebene Bevollmächtigte existieren nicht,
- wenn es einen Solchen gibt, reagieren diese nicht auf behördliche Anfragen,
- sie bestreiten im Einzelfall, für das spezifische Produkt verantwortlich/zuständig zu sein oder
- es wird kein Bevollmächtigter benannt, obwohl der Hersteller nicht in der EU sitzt und es auch keinen physischen Importeur oder stationären Händler gibt.
Eine kleine Statistik von Hr. Hoetter zu den oben skizzierten Fällen ist einigermaßen erschreckend:
- Aktion 1 (diverse Rechtsvorschriften) zeigte solche Non-Compliance-Ereignisse in 19 von 21 Fällen und bei der
- Aktion 2 (Kletterausrüstung) traten in 20 von 21 Fällen Non-Compliance-Ereignisse auf.
Seine Schlussfolgerungen waren u. a., dass die Zielsetzung des Art. 4 bewusst ausgehöhlt werden soll, Verbraucher geschädigt werden, es eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der EU-Hersteller gibt und die Maßnahmen offensichtlich kaum wirksam sind. An der Stelle sei darauf hingewiesen, dass dies möglicherweise einer der Gründe ist, in der zukünftigen neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie dem Bevollmächtigten eine Produkthaftung zuzusprechen, wenn genau solche Fälle eintreten (Hersteller sitzt nicht in der EU, einen physischen Händler gibt es nicht).
In letzter Konsequenz können das die Verbraucher durch ein mündiges und informiertes Konsumverhalten beeinflussen (Billigware = Non-Product Compliance).
Die Marktüberwachungsbehörden sollten zudem konsequenter, schneller und effizienter ihre Möglichkeiten im Vollzug anwenden. Darüber hinaus sollten Bevollmächtigte für alle Produkte eines Herstellers zuständig sein (single point of contact). Außerdem könnte eine Registrierungspflicht des Bevollmächtigten auch eine Absicherung darstellen. Und letztendlich würden wohl empfindlichere Strafen für Akteure, die sich nicht an die Regeln halten evtl. auch helfen.
Alles in allem war es wieder eine sehr informative und kommunikative Veranstaltung, da es selten die Möglichkeit gibt, sich auf dieser Ebene mit allen Beteiligten auszutauschen.
Die Vorträge werden sicherlich irgendwann auf der Website des DMÜF online gestellt werden.
Haben Sie Fragen zu den Inhalten dieser Marktüberwachungskonferenz oder anderen Themen? Wir beraten Sie gern!
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Michael Loerzer
Regulatory Affairs Specialist, zertifizierter Product Compliance Officer (PCO)